Häufig wird in letzter Zeit die Frage nach dem Verhältnis der DFN-PKI zu Let’s Encrypt oder nach der Unterstützung des ACME-Protokolls gestellt. Es muss hierbei beachtet werden, was genau gemeint ist: Häufig wird ACME und Let’s Encrypt in einen Topf geworfen, was die Beantwortung der Frage nicht einfacher macht: Soll die DFN-PKI wirklich ACME sprechen oder soll sie so (einfach) funktionieren wie Let’s Encrypt?
Um diese Frage zu beantworten, müssen zwei Aspekte erst einmal getrennt betrachtet werden:
- Was ist der Unterschied zwischen der DFN-PKI und Let’s Encrypt?
- Unterstützt die DFN-PKI das ACME-Protokoll bzw. ist dies geplant?
Was ist der Unterschied zwischen der DFN-PKI und Let’s Encrypt?
Ganz einfach: Let’s Encrypt stellt domainvalidierte (DV) Serverzertifikate aus, die DFN-PKI stellt organisationsvalidierte (OV) Serverzertifikate aus. Aber was heißt das konkret? Das bereitgestellte Vertrauensniveau soll hier anhand der Aussage eines Serverzertifikats verglichen werden:
Zunächst das OV-Zertifikat, z.B. aus der DFN-PKI:
„Der Server www.example.com hat den öffentlichen Schlüssel 123456. Das Zertifikat wurde der Organisation XYZ ausgestellt und die Berechtigung dieser Organisation zur Verwendung der Domain in einem Zertifikat wurde geprüft. Die Rechtsperson Organisation XYZ sitzt in Land A in Stadt B in Bundesland C.“
Nun die Aussage eines DV-Zertifikats:
„Der Server www.example.net hat den öffentlichen Schlüssel 987654“
DV-Zertifikate treffen also keine Auskunft darüber, wer den Server betreibt oder wo derjenige zu finden wäre. Das heißt, DV-Zertifikate taugen nur für die Verschlüsselung der übertragenen Daten. Die Authentisierung der juristischen Person des Verantwortlichen für den Server entfällt vollständig. Das bedeutet wiederum, dass für einen Nutzer nicht ersichtlich ist, ob er auf der richtigen Webseite ist. Dies lässt sich an www.dfn.de und www.dfn.com veranschaulichen. Beide Webseiten könnten problemlos mit validen DV-Serverzertifikaten geschützt sein. Ein Nutzer könnte dann aber nicht erkennen, ob er mit der Webseite der Organisation kommuniziert, die er intendiert hat (www.dfn.de vom DFN-Verein e.V.) oder einem völlig unbeteiligten Dritten. Noch schlimmer wird es, wenn diese Verwechslungsgefahr von Angreifern böswillig ausgenutzt wird.
Bei DV-Zertifikaten ist also lediglich die Kommunikation verschlüsselt, was Man-In-The-Middle-Angriffe verhindert. Sollte ein Betreiber aber in bösartiger Absicht www.dfn.de mit einer ähnlichen Domain und einem völlig validen DV-Serverzertifikat für diese Domain imitieren, beispielsweise um Passwörter abzugreifen, bestünde kein Schutz dagegen. Im Gegenteil würden sich viele Nutzer durch das Schloss in der URL-Zeile des Browsers möglicherweise sogar bestätigt sehen, eine „sichere“ Verbindung zu haben und daher ihr Passwort arglos eingeben.
Die zusätzlichen Aussagen zum Betreiber der Webseite bei Organisationsvalidierung (Organisationsname, Land, Ort und Bundesland) müssen durch die CA validiert werden. Diese Schritte sind in der DFN-PKI notwendig und erzeugen den wahrnehmbaren Overhead zu domainvalidierten Zertifikaten. Alle diese Werte können aber in den DFN-PKI für die betreffenden Domains vorab validiert werden, d.h. vor einer tatsächlichen Antragsstellung für Zertifikate unter dieser Domain. Wenn alle Werte für hs-pellworm.de vorab validiert sind, kann die Ausstellung aller konkreten Zertifikate mit FQDNs mit dieser Domain ohne erneute Validierung durch die DFN-PKI geschehen[1].
Unterstützt die DFN-PKI das ACME-Protokoll oder ist das geplant?
Das ACME-Protokoll wird in der DFN-PKI derzeit nicht unterstützt, ist aber perspektivisch in der Tat sehr interessant. ACMEv1 war allerdings nicht mächtig genug für die Organisationsvalidierung. Das ist mit ACMEv2 inzwischen besser geworden und ACME wurde als RFC 8555 von der IETF standardisiert. Die Umsetzung einer ACME-Schnittstelle in der DFN-PKI bringt allerdings signifikante Softwareentwicklungs-Aufwände mit sich, die wohl überlegt sein wollen.
Derzeit besteht mit der SOAP-Schnittstelle der DFN-PKI schon eine etablierte Schnittstelle, mit der ähnliche Workflows wie mit ACME umgesetzt werden können. Diese Schnittstelle ist zwar nicht standardisiert, die Softwareentwicklung gegen diese Schnittstelle wird von der DFN-PKI aber mit Beispiel-Implementierungen und API-Dokumentationen unterstützt. Der Vorteil der Unterstützung von ACME wäre also auf eine Unterstützung durch zunehmend Verbreitung findende ACME-Client-Tools beschränkt. Komplett neue Workflows, die derzeit nicht möglich wären, ergeben sich aber nicht unbedingt.
Darüber hinaus gibt es noch eine weitere Argumente, die zumindest dagegen sprechen, dass eine ACME-Unterstützung das „Allheilmittel“ für die effiziente Serverzertifikaterstellung in der DFN-PKI wäre:
- Für einige Appliances/Softwares, die jetzt ACME mit Bordmitteln können, gilt, dass sie auf Let’s Encrypt hart verdrahtet sind – Es brächte also in diesen Fällen keinen Vorteil, wenn die DFN-PKI eine ACME-Schnittstelle anböte.
- Die ACME-Tools funktionieren im Wesentlichen auf „normalen“ (Web-)Servern, die auch Verbindungen nach Außen aufmachen können/dürfen. Appliances, Access Points, Firewalls, interne Server ohne Außenkommunikation,… unterstützen in der Regeln kein ACME, benötigen aber auch häufig Server-Zertifikate. Dies müsste also auch bei der Verwendung von ACME mittels eigener Software auf dedizierten „Zertifikatsantragsmaschinen“ automatisiert werden – diese könnten dann aber auch gleich gegen die DFN-PKI SOAP-Schnittstelle entwickelt werden.
- Es bleiben die Validierungspflichten von OV – so einfach wie Let’s Encrypt wird es also auch mit ACME nicht, manuelle Schritte bleiben notwendig (auch wenn diese, wie bereits jetzt, größtenteils vor der ersten Beantragung für eine Domain erledigt werden können).
Ein derzeit notwendiger manueller Schritt ist die Freigabe des Zertifikatantrags durch den Teilnehmerservice der DFN-PKI vor Ort anhand des Papierantrags, der bei der Beantragung als PDF erzeugt wird und ausgedruckt, unterschrieben und geprüft werden muss. Wenn dieser manuelle und analoge Schritt entfiele, wäre das für viele Workflows hilfreicher als die Umstellung von der DFN-PKI SOAP-Schnittstelle auf ACME. Daher konzentriert sich das Team der DFN-PKI derzeit weniger auf die Einführung der ACME-Schnittstelle als auf die Umstellung auf eine papierlose Zertifikatbeantragung für Serverzertifikate.
Fazit
ACME ist mittelfristig für die DFN-PKI ein interessanter Standard, um die SOAP-Schnittstelle abzulösen. Dies sollte aber erst passieren, wenn die bestehende SOAP-Schnittstelle „End of Life“ ist und sowieso eine Neuentwicklung ansteht, da sich keine grundlegend neuen oder effizientere Workflows durch die Umstellung auf ACME ergeben. Dies jetzt vorzuziehen würde Entwicklerkapazitäten binden, die derzeit an anderen Stellen der DFN-PKI sinnvoller eingesetzt werden.
Domainvalidierte Zertifikate wie die von Let’s Encrypt eignen sich gegebenenfalls für den privaten Gebrauch oder für Testumgebungen, Prototypen, etc. um niederschwellig an ein „echtes“ Serverzertifikat zu kommen. Auf Produktivsystemen sollte man sich aber sehr genau überlegen, ob das niedrigere Vertrauensniveau der Domainvalidierung ausreicht und ob die ACME-Tools überhaupt auf allen beteiligten Systemen lauffähig sind und auch zu den Validerungsservern der gewünschten CA kommunizieren dürfen/können.
Zur Vereinfachung von Workflows zur Ausstellung von Serverzertifikaten in der DFN-PKI wird derzeit die papierlose Beantragung von Serverzertifikaten konzipiert. Dies in Kombination mit der bestehenden SOAP-Schnittstelle erlaubt weitestgehend die gleichen Workflows wie bei der Verwendung des ACME-Protokolls. Dabei wird aber das Vertrauensniveau der DFN-PKI mit organisationsvalidierten Zertifikaten unter einer vertrauenswürdigen Root-CA und dem vertrauenswürdigen Betrieb der Sub-CAs durch den DFN-Verein genutzt, was bei einem Wechsel zu einem domainvalidierenden Anbieter nicht der Fall wäre.
(Ralf Gröper, 27.03.2019)
[1] Alle 825 Tage (=ca. 2,25 Jahre) müssen die Werte re-validiert werden. Das geschieht für Name, Land, Stadt und Bundesland „hinter den Kulissen“ automatisch durch die DFN-PCA. Für die Domains passiert dies im Self-Service durch den Teilnehmerservice vor Ort mit wenigen Klicks in wenigen Sekunden.